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Die Gewerbeaufsicht unterstützt Betriebe bei der Organisation des Arbeitsschutzes

Für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens sind nicht nur qualitativ hochwertige Produkte nach den Bedürfnissen des Marktes von Bedeutung, sondern auch ein reibungsloser Betriebsablauf. Dazu gehören Betriebseinrichtungen, die möglichst ohne Störungen funktionieren und motivierte, gesunde Mitarbeiter. Es ist deshalb für den Unternehmer sinnvoll, Rahmenbedingungen zu schaffen, die dazu beitragen Unfälle zu vermeiden und die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten.

Investitionen in den Arbeitsschutz rechnen sich oft nicht kurzfristig. Unfälle sind in kleineren Unternehmen - zum Glück - seltene Ereignisse. Mittel- und langfristig profitieren aber alle Unternehmen vom Unfall- und Gesundheitsschutz. Diese Erkenntnis ist leider nicht überall vorhanden oder es bestehen Hinderungsgründe zur Umsetzung. Zum Schutz der Beschäftigten bei der Arbeit sind daher zahlreiche Vorschriften erlassen worden (s. Abb. 1) und es gibt eine Aufsichtsbehörde, die deren Einhaltung überwacht. Für Bremerhaven und Bremen ist dies die Gewerbeaufsicht des Landes Bremen.

Arbeitsschutzgesetz
Arbeitssicherheitsgesetz
Arbeitszeitgesetz
Mutterschutzgesetz
Jugendarbeitsschutzgesetz
Betriebssicherheitsverordnung
Arbeitsstättenverordnung
Lastenhandhabungsverordnung
Baustellenverordnung
Bildschirmarbeitsverordnung
PSA-Benutzungsverordnung
Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz
Gefahrstoffverordnung
Biostoffverordnung
Strahlenschutzverordnung
Röntgenverordnung

Abb. 1: Auswahl der wesentlichen Gesetze und Verordnungen zum Schutz der Beschäftigten

Früher hat die Gewerbeaufsicht die Einhaltung der Vorschriften akribisch überwacht und dazu umfassende Betriebsbesichtigungen durchgeführt. Dabei wurden alle erkannten Mängel aufgelistet und dem Arbeitgeber zur Beseitigung aufgegeben. Mitunter wurden dabei auch Details, wie z.B. defekte Steckdosen, betrachtet, nicht jedoch die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes.

Mit Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes im Jahre 1996 fand ein Paradigmenwechsel statt. Die Eigenverantwortung des Arbeitgebers wird seither stärker betont. Der Staat zieht sich immer mehr zurück. Die Vorschriften werden aufgrund von Vorgaben der EU weniger konkret formuliert. Vorgegeben werden Schutzziele. Der Unternehmer ist verpflichtet, diese Ziele zu erreichen, für den Weg dorthin hat er jedoch große Freiheiten. Dies ist Chance und Risiko zugleich.

Auf diese rechtliche Entwicklung hat sich die Gewerbeaufsicht eingestellt. Nicht mehr die Verfolgung einzelner Mängel steht im Vordergrund unserer Tätigkeit, sondern die Beratung der Arbeitgeber und die Organisation des Arbeitsschutzes im Betrieb. Den Beschäftigten - und damit auch dem Unternehmen - ist am meisten geholfen, wenn die Belange des Arbeitsschutzes gut in die Betriebsorganisation eingebettet sind. Die Gewerbeaufsicht informiert den Arbeitgeber über seine Verpflichtungen und berät ihn, wie er die Anforderungen zweckmäßig und wirtschaftlich erfüllen kann.

Dazu erhebt die Gewerbeaufsicht des Landes Bremen zunächst den Ist-Zustand im Betrieb anhand eines Fragebogens. Um kleine Unternehmen nicht unnötig zu belasten, wurde ein verkürzter Fragebogen „Checkliste für KMU“ entwickelt, der die besonderen Belange kleinerer Betriebe berücksichtigt. Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten werden mit dem umfangreicheren Bogen „Systemkontrolle“ befragt.

Wir sind uns dabei sehr wohl bewusst, dass eine solche Befragung Arbeit für den Betrieb bedeutet und nicht selten als zusätzliche Bürokratie angesehen wird. Wir wollen weder das eine noch das andere. Daher haben wir ein Verfahren entwickelt, das sich für alle Beteiligten als sehr effektiv erwiesen hat. In der Regel wird der Fragebogen dem Unternehmen vor unserem Besuch zur Verfügung gestellt, so dass sich der Betrieb auf das Gespräch vorbereiten kann. Wir empfehlen den Fragebogen soweit wie möglich auszufüllen und an uns zurückzusenden. Dadurch kann die  Arbeitsschutzorganisation effektiv in einer kurzen Besprechung betrachtet werden, was zu geringerem Zeitaufwand für alle Beteiligten führt, insbesondere bei unserem Besuch im Betrieb.

Im Gespräch brauchen dann nur noch einzelne Punkte angesprochen zu werden, wie z.B. offen gebliebene Fragen und erkannter Handlungsbedarf. Für diesen Besuch melden wir uns frühzeitig im Betrieb an und vereinbaren einen Termin. Das Unternehmen kann sich vorbereiten, die erforderlichen Unterlagen, wie z.B. die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung oder Prüfbücher, bereit halten und die für den Arbeitsschutz zuständigen Personen wie z.B. Arbeitgeber, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt und Betriebsrat können sich auf den Termin einstellen. Dieses Gespräch muss nicht einseitig verlaufen, es bietet eine gute Gelegenheit, Fragen an die Gewerbeaufsicht zu stellen. Abgerundet wird der Besuch durch eine Besichtigung ausgewählter Arbeitsplätze des Unternehmens.

  1. Betriebsdaten
  2. Verantwortung des Arbeitgebers
  3. Arbeitssicherheitstechnische Betreuung
  4. Betriebsärztliche Betreuung
  5. Ergänzende Arbeitsschutzorganisation
  6. Erste Hilfe und sonstige Notfallmaßnahmen
  7. Gefährdungsbeurteilung
  8. Beschäftigte
  9. Arbeitsmittel
  10. Gefahrstoffe
  11. Arbeitszeit
  12. Immissionsschutz

Abb. 2: Zentrale Themen bei der Überprüfung der Arbeitsschutzorganisation durch die Gewerbeaufsicht des Landes Bremen

Bei der Überprüfung der Arbeitsschutzorganisation werden zunächst die wesentlichen Betriebsdaten ermittelt. Dazu gehört z.B. die Zahl der Beschäftigten, da manche Anforderungen, wie z.B. die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten oder die Bildung eines Arbeitsschutzausschusses, von der Betriebsgröße abhängig sind.

Die erste inhaltliche Frage ist zugleich die wichtigste: „Wer ist für den Arbeitsschutz verantwortlich?“ Meist ist sich der Arbeitgeber seiner Verantwortung bewusst. Manchmal aber werden hier Personen benannt, die sich zwar um die Belange des Arbeitsschutzes im Betrieb kümmern, wie z.B. die Fachkraft für Arbeitssicherheit, doch diese berät nur den Arbeitgeber bei der Erfüllung seiner Pflichten ohne selbst dafür die Verantwortung zu tragen. Ist der Arbeitgeber sich seiner Verantwortung nicht bewusst, bestehen meist Defizite in der Organisation des Arbeitsschutzes und auch materielle Mängel, die zu einer Gefährdung der Beschäftigten führen können. Wenn sich niemand verantwortlich fühlt, besteht die Gefahr, dass sich auch niemand zuständig fühlt. Wenn es nach einem schweren Unfall zu einer Gerichtsverhandlung kommt, wird zunächst nach den Verantwortlichen gesucht. Spätestens hier rächt sich ein Organisationsverschulden.

Der Arbeitgeber besitzt grundsätzlich die volle Verantwortung, doch er kann sich zumindest teilweise davon entlasten, indem er ihm obliegende Pflichten auf eine andere Person überträgt. Diese Person muss er sorgfältig auswählen. Sie muss zuverlässig sein und die zur Ausübung der Aufgabe erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzen. Ihr müssen die nötigen finanziellen und sonstigen Mittel, Informationen und Zeit zur Verfügung gestellt werden. Die Verantwortung muss eindeutig, umfassend und schriftlich geregelt werden. Zumindest stichprobenweise muss der Arbeitgeber kontrollieren, ob diese Person ihren Verpflichtungen nachkommt.

Die Anzahl und der Umfang der Vorschriften, die der Arbeitgeber zu beachten hat, sind so groß, dass er diese nicht alle im Detail kennen kann. Oftmals ist für die Umsetzung der Vorschriften ein spezielles Fachwissen erforderlich. Der Arbeitgeber muss sich somit von Experten unterstützen lassen. Für den Arbeitsschutz sind dies meist eine Fachkraft für Arbeitssicherheit und ein Betriebsarzt. Bei unserer Überprüfung der Arbeitsschutzorganisation fragen wir nicht nur, ob solche Experten beauftragt wurden (oder eine andere Form der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung praktiziert wird), sondern prüfen auch, ob sie ihre nach Arbeitssicherheitsgesetz und BGV A2 vorgegebenen Aufgaben erfüllen. Dazu fragen wir z.B. nach dem Termin der letzten Begehung der Arbeitsplätze und nach dem Tätigkeitsbericht.

Ergänzende Fragen zur Arbeitsschutzorganisation betreffen die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten und die Bildung eines Arbeitsschutzausschusses sowie dessen Tätigkeit. Selbst bei bester Organisation des Arbeitsschutzes sind Unfälle und Notfälle niemals völlig auszuschließen. Daher fragen wir, ob ausreichend Ersthelfer bestellt wurden und ob diese über eine ausreichende Ausbildung und aktuelle Fortbildung verfügen. Wir erkundigen uns auch nach den Maßnahmen zur Brandbekämpfung und zur Evakuierung der Beschäftigten im Notfall.

Von zentraler Bedeutung sind die Fragen zur Gefährdungsbeurteilung. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Arbeitsbedingungen zu beurteilen, die notwendigen Maßnahmen zum Arbeitsschutz durchzuführen und deren Wirksamkeit zu überprüfen. Dies alles muss außerdem dokumentiert werden. Die Überprüfung in 125 Betrieben im Jahr 2006 zeigte, dass nur in etwa jedem zweiten Betrieb eine vollständige Gefährdungsbeurteilung durchgeführt worden ist (s. Abb. 3). Ein Drittel der befragten Unternehmen hatte damit zwar begonnen, jedoch noch nicht abgeschlossen. Auch mehr als 10 Jahre nach Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes haben 23% der Betriebe die Gefährdungsbeurteilung noch nicht begonnen.

Abb. 3: Durchführung der Gefährdungsbeurteilung in 125 Betrieben im Land Bremen, in denen im Jahr 2006 die Arbeitsschutzorganisation überprüft wurde.

Die Überprüfungen der Vorjahre zeigten ein etwas besseres Ergebnis, doch dies liegt daran, dass wir früher insbesondere in größeren Unternehmen die Arbeitsschutzorganisation überprüft haben. Da in kleinen Betrieben die Defizite oft größer sind, werden wir auch künftig verstärkt hier tätig werden.

Bei den Betrieben, die mit der Gefährdungsbeurteilung zwar begonnen haben, sie aber noch nicht vollständig ist, stellen wir meistens fest, dass nicht alle Betriebsbereiche, Tätigkeiten oder Gefährdungen betrachtet wurden. So werden manchmal zwar Büro und Werkstatt beurteilt, aber das Lager vergessen. Seltene Tätigkeiten werden auch leicht übersehen, wie z.B. Instandhaltung, Reparaturen und Transportvorgänge. Das gleiche gilt für die „weichen“ Arbeitsschutzfaktoren, wie z.B. Arbeitsorganisation, Arbeitszeit und psychischen Belastungen, die zu nicht unerheblichen Gefährdungen führen können. Für besonders schützenswerte Personengruppen (Jugendliche, werdende und stillende Mütter sowie Behinderte) sind spezielle Gefährdungen zu betrachten. Da aus unserer Erfahrung in vielen Gefährdungsbeurteilungen diese Punkte nicht ausreichend berücksichtigt werden, fragen wir gezielt danach und helfen dadurch den Betrieben, noch vorhandene Defizite zu beheben.

Werden bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen Gefährdungen festgestellt, dann müssen sie den Beschäftigten mitgeteilt werden, damit sie sich davor schützen können. Wir fragen nicht nur, ob diese Unterweisungen vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgt, sondern auch ob sie in regelmäßigen Abständen wiederholt wird sowie bei Veränderungen im Arbeitsbereich. Bei der Begehung im Betrieb lassen wir uns stichprobenartig auch mal die schriftlichen Nachweise der Unterweisungen zeigen und überprüfen, ob sie wirksam durchgeführt wurden.

Besondere Regelungen sind erforderlich bei der Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber, wie z.B. beim Einsatz von Fremdfirmen oder auf Baustellen (s. Abb. 4). Durch ungenügende Koordination der Arbeiten kommt es hierbei immer wieder zu Unfällen.

Abb. 4: Beispiel für Arbeiten, bei denen eine wirksame Zusammenarbeit der Arbeitgeber zum Schutze ihrer Beschäftigten erforderlich ist

Schließlich fragen wir im Themenblock „Beschäftigte“ auch ob arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen erforderlich sind und wie deren Durchführung organisiert ist. Fragen zu den Arbeitsmitteln (insbesondere zu den sicherheitstechnischen Prüfungen von Geräten und Maschinen), zum Umgang mit Gefahrstoffen, zur Arbeitszeit und dem Immissionsschutz runden den Fragebogen ab.

Mit dem Fragebogen zur Überprüfung der Arbeitsschutzorganisation werden die wesentlichen Anforderungen zum Schutz der Beschäftigten behandelt. Für manch einen Arbeitgeber ist er eine willkommene Hilfe um Defizite zu erkennen und er hat ihn als Checkliste zum Bestandteil seiner eigenen Gefährdungsbeurteilung gemacht. Interessenten können ihn bei der Gewerbeaufsicht des Landes Bremen anfordern. In Kürze wird er auch auf unserer Internetseite abrufbar sein.

Die Betriebe, bei denen eine Überprüfung der Arbeitsschutzorganisation durchgeführt wurde, werden durch uns hinsichtlich ihrer Arbeitschutzorganisation bewertet. Dazu wurden fünf Kategorien festgelegt, von 1 = vorbildlich bis 5 = ungenügend. Die Zuordnung zu den Kategorien beruht auf der Prüfung von Unterlagen, den Angaben des Betriebes sowie der stichprobenartigen Besichtigung von Tätigkeiten oder Arbeitsplätzen. Im Jahr 2006 wurde dabei das in Abb. 5 dargestellte Ergebnis erhalten.

Abb. 5: Bewertung der 125 im Land Bremen in 2006 durchgeführten Überprüfungen der Arbeitsschutzorganisation

Betriebe, bei denen keine ausreichende Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wurde, können höchstens in die Kategorie IV eingestuft werden. Eine fehlende arbeitssicherheitstechnische oder betriebsärztliche Betreuung (oder bestätigte aktuelle Teilnahme an einer alternativen Betreuungsmaßnahme durch die Berufsgenossenschaft) führt zur Einstufung in die Kategorie V. Betriebe, die in die Kategorie IV oder V eingestuft wurden, werden dazu gebracht, dass sie die Unzulänglichkeiten soweit beseitigen, dass eine Einstufung mindestens in die Kategorie III, möglichst jedoch besser, erfolgen kann.

Wenn dies gelungen ist, haben diese Betriebe mindestens 5 Jahre „Ruhe“ vor uns. Eine erneute Überprüfung der Arbeitsschutzorganisation findet vorher nur in Ausnahmefällen statt, wie z.B. bei einer kompletten Umstrukturierung eines Unternehmens. Besichtigungen aufgrund anderer Anlässe (z.B. Unfälle, Genehmigungsanträge) sind hiervon unberührt.

Der Gewerbeaufsicht des Landes Bremen ist ein offener, transparenter Umgang mit den Betrieben wichtig. Daher melden wir unsere Besuche meistens an und erklären und begründen unser Handeln. Zur Transparenz gehört auch dieser Artikel, in dem wir beschreiben wie wir eine Überprüfung der Arbeitsschutzorganisation durchführen. Die „Pickelhaube“ haben wir längst abgelegt und entwickeln uns in Richtung eines kundenorientierten Dienstleisters. Wesentliches Element dabei ist die Beratung. Wir überwachen nicht nur die Einhaltung der Vorschriften, sondern beraten auch, wie dies zweckmäßig und wirtschaftlich erfolgen kann.

 

Dr. Boris Klein, Gewerbeaufsicht des Landes Bremen, Dienstort Bremerhaven

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